Sonntag, 5. Juli 2009

Vanguard 04: Offene Geheimnisse

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Buchbesprechung Ward, Dayton: Vanguard 04. Offene Geheimnisse, cross cult, 2009.

Story: In der Taurus-Region ist eine trügerische Ruhe eingekehrt. Doch kaum ist die Bedrohung der Shedai fürs erste gebannt, da marodieren auch schon Klingonen und Tholianer in der Gegend herum und auch die Sternenbasis 47 sieht ereignisintensiven Tagen entgegen.
Commodore Reyes wartet auf seine Verhandlung und wird von Admiral Nogura abgelöst – einem der ganz großen Strippenzieher innerhalb der Sternenflottenleitung. Und der zierliche Asiat räumt erst einmal gründlich auf: Commander Cooper muss sich nicht länger mit der Stationsverwaltung herumquälen, der vorlaute Jetanien wird in die Schranken verwiesen und der orionische Kaufmannsprinz Ganz muss seine Sachen packen und mit seinem Schiff die Station verlassen.
Trotz des neuen Besens gibt es dennoch genug Dreck, den selbst er nicht einfach wegfegen kann. So muss T’Prynn nach Vulkan gebracht werden, um von der katra ihres verstorbenen Verlobten Stens befreit zu werden. Derweil schafft es selbst Rana Desai nicht, den nobel handelnden Ex-Commodore Diego Reyes aus den Klauen der rachsüchtigen Justitia zu befreien und Ming Xiong wird von den Klingonen entführt, die sich durch ihn einen Sprung in ihren xenoarchäologischen Forschungen erhoffen – schließlich bergen die Waffensysteme der Shedai ein unheimlich großes militärisches Potential…
Doch gerade, als sich für die Föderation alles wieder zum guten wenden will, wird das Schiff, das den verurteilten Reyes zum Antritt seiner Haftstrafe auf der Erde geleiten soll, von einem unbekannten Piratenschiff angegriffen und zerstört. Reyes ist tot – oder etwa nicht??

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Lobenswerte Aspekte: Na endlich! Viel zu lange schon mussten die Freunde dieser genialen Reihe auf die Erscheinung des vierten Bandes in deutscher Sprache warten. Und das Warten hat sich definitiv gelohnt!
Der geneigte Leser kann in eine Welt aus vielschichtigen Charakteren und ihrer vielseitigen Interaktion eintauchen. Mitreißend und kanontreu wird eine Welt lebendig, die genial mit allen Serien und Filmen verknüpft wird. Hier kommt Nimbus III ins Spiel; dort trifft man auf den aufstrebenden General Chang. Man wird Zeuge der Kolonisation Cestus' III und erlebt den Untergang der Siedlung aus einer Kommandoperspektive mit. Sehr gelungen und gut durchdacht, denn Cestus III nimmt hier den Platz Denevas ein, das bereits im ersten Roman als unfreiwilliger Ort menschlicher Tragödien diente.

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Ganz neue Dimensionen: Jetzt mischen auch noch die Gorn mit?

Bemerkenswert ist, auf welche Weise der Roman eingeleitet und schließlich auch wieder beendet wird. Die Ereignisse um den Frieden von Organia als Grundlage zu nutzen ist so einfach wie genial.
Daneben räumt der Autor Dayton Ward mit Star-Trek-Klischees auf. Klingonen nehmen keine Gefangenen? Von wegen! Der häufig angesprochene Widerspruch wird hier aufgelöst – denn Klingonen sind eben doch nur Menschen – allerdings mit rosa Blut. Ward spielt mit den Kanoninformationen ohne ihnen untreu zu werden. So wird Reyes zu zehn Jahren Gefängnis in genau dem Knast verurteilt, in dem knapp ein Jahrhundert später auch Tom Paris einsitzen wird. Die Shedai setzten sich bereits mit dem Tkon Imperium auseinander und M’Benga wird endlich auf die USS Enterprise versetzt.
Daneben präsentiert das Buch auch Aspekte, die in Serien und Filmen eher stiefmütterlich behandelt wurden. So widmet man sich ausgiebig der Frage, wie das Ansehen der Vulkanier unter der Tatsache leidet, dass die verwandtschaftlichen Verhältnisse der spitzohrigen UFP-Mitglieder zu den Romulanern bekannt werden. Außerdem sind besonders die Exkurse auf Vulkan selbst beeindruckend, denn der Widerspruch zwischen Föderationsmitgliedschaft und der persönlichen Freiheit des Einzelnen sind ebenso subtil wie widersprüchlich dargelegt.
Doch auch ‚unverbürgte’ Informationen schafften den Weg in dieses Buch. Löblicherweise werden hier die aus den FASA-Rollenbspielbüchern stammenden Schiffsklassen Loknar und Saladin erwähnt, die es im eigentlichen Kanon bestenfalls zu Fußnoten gebracht haben…

Kritikwürdige Aspekte: Der vierte Band geht die Sache etwas ruhiger an als seine Vorgänger. Zuweilen kann man den Eindruck gewinnen, dass „Offene Geheimnisse“ nach den drei vorherigen, nahezu in sich geschlossenen Romanen den Beginn eines neuen Zyklus’ markiert, der erst eingeleitet werden muss. Das Buch bildet daher eine Art Anlauf, um auf den eigentliche Kern des Pudels, also der kommenden Handlungsstränge hinarbeitet. Doch das kann nicht als wirklicher Kritikpunkt geltend gemacht werden, denn Ward gelingt es trotz dieses subjektiven Eindrucks, Spannung und Tragik gleichermaßen aufkommen zu lassen.
Desweiteren sind weder Cover, Kapitelgliederung noch Handlung kritikwürdig – eher im Gegenteil. Was also soll man da noch negatives anbringen?
Der erfahrene Blogleser wird es wissen: Natürlich die Übersetzung. Es ist wirklich nicht so, dass sich der Übersetzer nicht angestrengt hätte. Christian Humberg hat einen angenehmen Stil und ich bin ihm durchaus dankbar, dass er „deaktivierte“ (S. 260) statt „desaktivierte“. Andererseits ist er behilflich, der cross-cult-Übersetzungstradition eigene Kontinuitätslinien zu verleihen. Die bereits in Titan angeklungene Dativiesierungkampagne wird unvermittelt fortgesetzt (z.B. S. 67„[…] Fortschritte von Xiong und seinem Team […]“, S. 291 „[…] Klärung von Lieutenant Xiongs Schicksal […]“ oder S. 191 „Laut dem Captain […]“). Ebenso unnötig wie gewohnt ist die abweichende Schreibweise zuvor bereits benannter Termini: aus dem Föderationsnachrichtendienst „FNS“ („Der Vorbote“, S. 326) wird hier „FND“ (S. 23). Daneben gibt es eine ganze Reihe unnötiger Schusselfehler: „Ich mochte ihn besser […]“ (S. 83), „Stolz“ (S. 176, groß statt klein geschrieben), oder „Damit sie sein Gewissen war […]“ (S. 388) sind nur einige Beispiele dieser hier und dort auftretenden Entgleisungen.
Am auffälligsten fand ich jedoch die häufig auftretende Umgehung von „die“ durch „welche“: Bereits im Einleitungstext findet sich auf Seite 5 der Satz „Letztendlich gestattet Reyes dem Journalist Tim Pennington die Veröffentlichung eines Tatsachenberichtes über die Bedrohung, welche die Shedai darstellen.“ Diese Möglichkeit ist in der deutschen Sprache gegeben, um Wortdopplungen zu vermeiden. Allerdings ist sie eher eine Ausnahmeerscheinung als ein alltäglicher Ausdruck. Dessen ungeachtet lassen sich in „Offene Geheimnisse“ immerhin 85 Konstruktionen dieser Art finden – also fast auf jeder vierten Seite. Zum Vergleich: Im zuvor von mir rezipierten Star-Trek-Werk „Die erste Mission“ tauchten solche Jonglierversuche nicht ein einziges Mal auf. Natürlich ist es nicht verboten, das Wort „“welche“ so einzusetzen, doch eine derartige Häufung wirkt im Umgang mit der deutschen Sprache etwas hilflos.
Eines bleibt schließlich auch noch anzukreiden. In der ein- und ausleitenden Bezugnahme auf den klingonischen Angriff auf die Sternenbasis 47 konnte sich der Übersetzer ins fertige Nest setzen, denn die Dialoge des Organiers Ayelborne waren, von einigen Adressatenformulierungen abgesehen, völlig identisch. Um so verwunderlicher, dass in der Föderationsvariante von „Apparaten“ (S. 15) die Rede ist, während die Klingonen „Instrumente“ (S. 437) zu hören bekommen. Wenn hier die Einteilung in „Grad Celsius“ für das Kriegervolk abweichend gewesen wäre (sie nutzen schließlich auch die Einteilung „qelI’qam“ statt „Meter“), hätte ich es durchaus verstanden, doch diese Abweichung ist vollkommen unnötig.
So oder so wäre diese Übersetzung nicht unbedingt eine Referenz, die man sich in die Vita schreiben sollte...

Anachronismen: Erstaunlicherweise sind tatsächlich Unstimmigkeiten zu finden, auch wenn sich der Autor redlich bemühte, sie zu vermeiden.
So wird Arcturus, die Heimat der Arcturianer, als unabhängiger „Freihandelsplanet“ (S. 172) beschrieben, obwohl die eher unbekannte Halbkanonrasse offiziell als Mitgliedsspezies der Föderation geführt wird! Natürlich kann man jetzt auf die zweifelhafte Kanoneinbindung verweisen, die durch die Hintergrundinformationen zu Star Trek Der Film gegeben wurden, doch wenn man sich vor Augen hält, dass die rigellianischen Chelonen, ihres Zeichens das Volk des Botschafters Jetanien, ihre Referenz in der selben Quelle haben, wirkt dies natürlich etwas uninformiert und kontraproduktiv.
Schade fand ich auch, dass der Auftritt des Admirals Komack einer anderen Person als der in TOS bekannt gewordenen Gestalt zugeschoben wird. Zwar bin ich mir relativ sicher, dass der Admiral aus der Episode „Weltraumfieber“ gemeint war, doch dieser trägt seit der Premiere des elften Kinofilms den Vornamen „James“ und nicht, wie im Buch beschrieben, „Franklin“. Also hat der Film es trotz gegenteiliger Versicherungen doch noch geschafft, den Romanzyklus Lügen zu strafen…

Fazit: Das halsbrecherische Erzähltempo vorangegangener Romane ist in „Offene Geheimnisse“ nicht zu finden. Dennoch ist das Buch seinen Vorgängern in den qualitativen Aspekten treu geblieben und verwöhnt seinen Leser mit einer spannenden und sauber recherchierten Geschichte, an deren Ende man sich nichts sehnlicher wünscht, als den nächsten Teil zu lesen.
Egal, ob man einige Anachronismen oder Rechtschreib- und Grammatikfehler findet – auch der vierte Roman der Vanguard-Reihe bietet Unterhaltung, wie keine andere Star-Trek-Buchreihe zuvor. Ein unbedingtes Muss für alle, die auch in der ‚richtigen’ Zeitlinie nicht auf Spannung, Dramatik und verdammt gute Geschichten verzichten wollen.

Denkwürdige Zitate:

Die Föderation ist ein Haufen schwacher Feiglinge, denen die innere Stärke fehlt, sich ihren Feinden in der Schlacht zu stellen. Stattdessen versucht sie, etwaige Gegner mit Worten zu Tode zu langweilen und versteckt sich hinter Lügen und Verrat.“ Lugok, S. 61

Diese Vulkanier sind anders als die, die Sie gewöhnt sind. Scherze und informelle Redewendungen bringen Sie hier nicht weiter.“
Wenn das so ist. Sind sie genau wie die Vulkanier, die ich gewöhnt bin.“
M’Benga und Pennington, S. 216

Ich habe mir T’Prynn nie als jemanden mit einem grünen Daumen vorgestellt. Das gefällt mir.
Die Pigmentierung der Haut auf T’Prynns Daumen entspricht ihrer restlichen Epidermis. Wenngleich die Färbung des vulkanischen Blutes eine derartige Beschreibung evozieren mag. Dennoch ist sie unzutreffend.“
Pennington und T’Nel, S. 252

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So sicher wie der Grüne Daumen

Wie erfrischend faschistisch.“ Pennington, S. 253

Man kann es nicht anders ausdrücken. Klingonen stinken.“ Xiong, S. 307

Bewertung: Keine Achterbahnfahrt, aber trotzdem genügend Loopings!

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Weiterführende Leseliste:

Vanguard 01: Der Vorbote
Vanguard 02: Rufe den Donner
Vanguard 03: Ernte den Sturm
Vanguard 04: Offene Geheimnisse
Vanguard 05: Vor dem Fall

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